Trennungsjahr als Schutzfunktion
Das Trennungsjahr hat auch eine Schutzfunktion. Es soll die Eheleute in erster Linie vor einem übereilten Entschluss schützen und die Versöhnung ermöglichen, bevor die Lebensumstände endgültig in andere Bahnen gelenkt werden.
Folgerichtig legt auch § 1567 Abs.2 BGB fest, dass ein Versöhnungsversuch („Ein Zusammenleben über kürzere Zeit, das der Versöhnung der Ehegatten dienen soll…“) den Lauf des Trennungsjahres weder unterbricht, noch hemmt.
Auswirkungen hat dies insbesondere auf die Erwerbsobliegenheit und den Unterhalt. In den meisten Fällen wird in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte im ersten Trennungsjahr keine Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten erwartet. Selbst dann nicht, wenn keine Kinder vorhanden sind.
Die bisherigen Verhältnisse sollen grundsätzlich so lange fortgelten, bis endgültig feststeht, ob die Ehe wirklich gescheitert ist. Bis dahin sollte der bisher nicht erwerbstätige Ehegatte unterhaltsrechtlich nicht schlechter dastehen als bisher.
Verfestigt sich dieTrennung, nähern sich die Voraussetzungen für eine Erwerbsobliegenheit, insbesondere wenn die Scheidung der Ehe nur noch eine Frage der Zeit ist, immer mehr den Maßstäben des nachehelichen Unterhalts an (BGH, FamRZ 2001, 350; Dose, FamRZ 2007, 1289).
Der Schutz des Trennungsjahres kann für denjenigen mit Unterhaltsanspruch gut genutzt werden, um sich beruflich zu qualifizieren, was dann nach dem Trennungsjahr wirtschaftlich von Nutzen ist.
Versöhnung im Trennungsjahr
Wenn das Trennungsjahr abgelaufen ist und sich die Eheleute anschließend erfolgreich versöhnen, muss das Trennungsjahr wiederholt ablaufen (siehe dazu OLG Bremen v. 02.05.2012 – 4 WF 40/12). Dazu muss ansonsten allerdings angemerkt werden, dass es selbst bei bereits gerichtlich anhängigen Scheidungsverfahren ohne weiteres möglich ist, das Verfahren für eine bestimmte Zeit auszusetzen, um einen Versöhnungsversuch zu unternehmen. Üblicherweise wird einen solche Aussetzung des Verfahrens durch Beschluss für 6 Monate verfügt, kann aber auf Antrag auch noch weiter verlängert werden, wenn triftige Gründe dafür sprechen
Trennungsjahr verkürzen? Eine absolute Ausnahme
Unzumutbare Härte kann das Trennungsjahr aushebeln: Entbehrlich ist das Trennungsjahr laut § 1565 Abs. 2 BGB nur, „wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde“.
Zu beachten ist, dass die Härtefallscheidung eine absolute Ausnahmeregelung darstellt. Sie setzt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des anderen Ehegatten voraus. Die häufig festzustellenden ehelichen „Abnutzungserscheinungen“ reichen dazu nicht aus. Den meisten Unzumutbarkeitsgründen dürfte durch die Beendigung des Zusammenlebens der Boden entzogen sein.
Unzumutbar mit der Folge einer möglichen Aufhebung des Trennungsjahres gelten
- ernsthafte Morddrohungen,
- wenn verschwiegen wurde, dass noch eine Freiheitsstrafe zu verbüßen ist,
- Veröffentlichung von Intimitäten aus der Ehe,
- Prostitution
Als nicht unzumutbar gelten
- psychische Erkrankung des Antragsgegners ist kein Härtefall, der eine Unzumutbarkeit begründet, da ein relevantes Fehlverhalten eine ehefeindliche Willensrichtung voraussetzt,
- Ehebruch/sexuelles Fehlverhalten des Antragsgegners/Zusammenleben mit einem neuen Partner nach Trennung reichen für sich gesehen nicht – dies muss schon als sozialadäquates Verhalten gegen Ende einer Ehe angesehen werden,
- Lieblosigkeit,
- Aussperren aus der Wohnung,
- Homosexualität
Zu differenzieren ist in den folgenden Fällen:
Unzumutbarkeit kann in Betracht kommen
- in Einzelfällen, wenn zum Ehebruch besonders verletzende Umstände hinzutreten,
- wenn aus dem Ehebruch eine Schwangerschaft entsteht (strittig!),
- im Falle eines Sexualdelikts; Unzumutbarkeit liegt nicht ohne weiteres vor,
- bei sonstigen Gewalt-/Straftaten
Sonderfälle
Das Bestehen auf dem Ablauf des Trennungsjahres kann problematisch sein, wenn die Eheleute nie zusammengelebt haben: Die Trennung berechnet sich in solchen Fällen ab dem Zeitpunkt, in welchem sich ein Ehepartner von der Gemeinschaft lossagt. Bei einer Scheinehe fällt der Beginn des Getrenntlebens mit der Heirat zusammen, ohne dass eine Trennungsabsicht kundgetan werden muss.